Themenbereich Kerosin

Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. Seifert vom 20.09.2004 zum Thema Kerosin

Auszüge:

Sehr geehrter Herr Dr. Feldhoff,

sehr geehrte Damen und Herren,


unter Bezugnahme auf unsere vormals am 15.06.2004 gestellte Anfrage danken wir für Ihre Stellungnahme vom 29.06.2004.

Nach intensiver Auseinandersetzung mit dieser stellen sich für uns folgende weitere Fragen, die wir Sie höflichst bitten, alsbald zu beantworten:

1.

Zu welcher Klasse gehörte das 1994 in Ihrer Anwesenheit entnommene und anschließend untersuchte Kerosin?


Antworten des Ltd. Kreismedizinaldirektor Dr. Feldhoff vom 25. November 2004 (Auszüge aus dem Antwortschreiben)

Zu 1 – Klassenzuordnung des untersuchten Kerosins –

Die Triebwerke der Flugzeuge des E-3A-Verbandes verbrennen militärischen Flugturbinenkraftstoff der Bezeichnung JP8 (NATO Code F34), umgangssprachlich auch oft als Kerosin bezeichnet. Bei der 1994 mittels Gaschromatographie (GC/FID) untersuchten Treibstoffprobe handelt es sich um Jettreibstoff P. Das erstellte Übersichtschromatogramm diente als Vergleich zur Abgrenzung zu anderen Mineralölfraktionen, die ebenfalls als Treibstoffe verwendet werden. Damit wurde im Untersuchungsbericht gezeigt, dass es sich bei dem untersuchten Flugturbinenkraftstoff um das in den AWACS-Flugzeugen eingesetzte JP 8 handelt.

2.

Ist auszuschließen, dass ziviler Standard-Flugkraftstoff über Dosieranlagen auf der Airbase durch Zusatzstoffe an militärische Anforderungen angepasst wird?

Zu 2 – Zusatzstoffe –

Flugturbinenkraftstoff JP 8 wird aus dem zivilen Basiskraft- stoff Jet A-1 durch Zusatz von Additiven hergestellt, die in den militärischen Spezifikationen (STANAG 3747, Guide Specifications (Minimum Qualitv Standards) for Aviation Turbine Fuels) zwingend gefordert werden. Die Fern- leitungsbetriebsgesellschaft (FBG), als Lieferant für den NATO-Flugplatz Geilenkirchen, bezieht zivilen handelsüblichen kerosinbasischen Flugkraftstoff Jet A-1 von verschiedenen multinationalen Ölkonzernen und setzt in ihren Tanklagern vor Auslieferung an den E-3A-Verband Zusatzstoffe hinzu, um den militärischen Anforderungen zu entsprechen. Bei diesen Additiven handelt es sich nach Mitteilung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 11.11.2004 – wie bereits in meinem Antwortschreiben vom 29.08.2004 mitgeteilt – um ein Additiv zur Verhinderung von Eis- und Flockenbildung bei niedrigen Temperaturen und einem Additiv zum Korrosionsschutz. Die beiden Additive - es handelt sich um handelsübliche Produkte - sind der Fuel System Icing Inhibitor (FS II) mit einem Gewichtsprozentsatz zwischen 0,10 und 0,15 % und der „Corrsion Inhibitor/Lubricity Improver“ mit einem Anteil zwischen 4 bis 8 g/m³ im JP 8. Das Additiv FSII, chemisch ein Diethylenglykolmonomethylether (2-(2-Methoxyethoxy) ethanol), ist chemikalienrechtlich ab einem Gewichtsprozentsatz von 5 % mit dem Risikohinweissatz R63 „Kann das Kind im Mutterleib möglicherweise schädigen“ zu kennzeichen. Da FSII dem JP8 lediglich zu 0,15 % hinzugefügt wird, entfällt aufgrund der geringen Mengen dieses Inhaltsstoffes eine R63-Kennzeichnung, weil das o.a. Risiko beim Umgang mit JP8 nicht gegeben ist.

Der „Corrosion Inhibitor/Lubricity Improver“, chemisch ein Fettsäuregemisch, vorwiegend Dilinolsäure, ist aufgrund seiner Zusammensetzung nicht als gefährliche Zubereitung mit Gefahrensymbolen zu kennzeichen.

Im Ergebnis ist das von JP8 ausgehende Gefährdungs- potenzial chemikalienrechtlich nicht anders eingestuft als dasjenige des weltweit zivil genutzten Flugturbinenkraft- stoffs Jet A-1, dessen Unbedenklichkeit durch zahlreiche Gutachten für den Betrieb ziviler Flughäfen belegt ist.

3.

Ist die Verwendung verbleiter Flugkraftstoffe und damit auch die Beimischung von Antiklopf-Additiven- wie 1,2 Dibromethan oder anderen Chemikalien in Turbofan- Triebwerken technisch generell unmöglich oder unvorteil- haft?


Zu 3 – Antiklopf-Additive –


Bereits in meinem Schreiben vom 29.06.2004 habe ich darauf hingewiesen, dass 1,2 Dibromethan im JP8 nicht enthalten ist. Dies wird erneut durch eine Stellungnahme des Bundesministeriums der Verteidigung vom11.11.2004 bestätigt. Dieser Stoff ist lediglich zum Austragen von blei- haltigen Verbrennungsprodukten erforderlich, JP8 enthält kein Blei. Antiklopfmittel werden technisch nur in Ver- brennungskraftmaschinen mit zyklischer Verbrennung (Kolbenmotoren) zur Vermeidung hoher Druckspitzen und der damit verbundenen Gefahr der Motorschädigung eingesetzt. Dies ist bei Turbinen mit kontinuierlicher Ver- brennung im offenen thermodynamischen Prozess nicht notwendig und die militärischen Spezifikationen für die JP8 beinhalten folglich keine Antiklopfmittel. Ihre Verwendung wäre nicht nur unnötig, sondern auch unwirtschaftlich.


4.

Die von Ihnen zitierte „Bundesdrucksache 14/6420“ stellt im Wesentlichen auf die Spezifikationen von Flugturbinen- kraftstoffen für Kampfflugzeuge der Bundeswehr ab. Gibt es Unterschiede zu den Kraftstoffen, die für Triebwerke älterer Bauart, wie in den Flugzeugen der Lufwaffentrans- portgeschwader oder den ursprünglich zivil konzipierten Turbofans PW-100A der Boeing 707, eingesetzt wurden oder werden?


Zu 4 – Kraftstoffe in Triebwerken für Boeing 707 –


Die für den jeweiligen Flugzeugtyp im Flugbetrieb zugelassenen Kraftstoffe sind in den Betriebshandbüchern durch den Hersteller vorgeschrieben. Die im E-3A- Ver- band eingesetzten Flugzeuge auf der Basis der Boeing 707 (E-3A mit Triebwerk P&W TF-33 100A und TCA mit Triebwerk P&W JT-3D-7) verwenden militärischen Flug- turbinenkraftstoff mit der Bezeichnung JP8 (NATO Code F-34, wie oben ausgeführt).

5.

Auf welche Bestandteile bzw. Inhaltstoff wurde das überlassene Kerosin innerhalb welchen Zeitraumes genau untersucht? Viele Quellen verweisen darauf, dass die exakte Zusammensetzung der militärischen Turbinenkraftstoffe auf Grund patentrechtlicher und anderer Erwägungen geheim gehalten wird.



Zu 5 – Bestandteile des untersuchten Kerosins –


Für die untersuchte Treibstoffprobe wurden, wie unter 1 ausgeführt, Übersichtschromatorgramme erstellt; damit waren Vergleiche zur Abgrenzung zu anderen Mineralöl- fraktionen möglich. Die Analysen wurden begleitend zu allen Messungen des Messprogramms in der Zeit von Juli 1994 bis Mai 1995 durchgeführt.

Bei der Interregstudie 1994 stand im Interesse des Bevölkerungsschutzes die unter umweltmedizinischen As- pekt bedeutende Immissionsproblematik im Vordergrund. Dem zufloge wurde die Analytik auf die luftgetragenen Verbrennungsprodukte des Kerosins abgestellt, da es um die Frage von möglichen schädigenden Einflüssen auf die Gesundheit ging. Leitsubstanzen für das bei den Kindern durchgeführte biologische Monitoring waren Nickel, Chrom und Phenolverbindungen als Indikator für die Inkorporation von Kerosin. Leitparameter für luftgetragene Schadstoffe waren Stickoxide, Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid, Ozon, Schwermetalle, Benzpyren und chlorierte Kohlenwasser- stoffe. Entscheidend für die Beurteilung von Auswirkung- en auf die menschliche Gesundheit sind nicht die Inhalts- stoffe des unverbrannten Produkts, sondern die luftgetrag- enen Verbrennungsprodukte. Die untersuchten Parameter sind aus den am 29.06.2004 übersandten Unterlagen er- sichtlich.

Darüber hinaus ist anzumerken, dass die militärischen Spezifikationen in STANAG 3747 enthalten sind (Guide Specifications for Aviation Turbine Fuels). Kerosin ist ein in seinen chemischen und physikalischen Eigenschaften dem handelsüblichen Diesel ähnliches Kohlenwasser- stoffgemisch mit einem Siedepunkt von 140 Grad Celsius bis 300 Grad Celsius und einem Flammpunkt von 38 Grad Celsius, mittels fraktionierter Destillation gewonnen aus Erdöl. Die Grundzusammensetzung des im militärischen Bereich verwendeten Turbinenkraftstoffes F-34 entspricht dabei – wie bereits ausgeführt – im wesentlichen des im zivilen Bereich eingesetzten Turbo Fuel Jet A-1. Die für den militärischen Bereich zugesetzten Eisbildungsverhind- erer mit bis zu 0,15 % Volumenanteil (FSII) und das

Korrosionsschutzmittel als Fettsäuregemisch vorwiegend aus Dilinolsäure mit bis zu 8g/m³ sind die hinzugesetzten Stoffe.

Hauptbestandteile des Kerosins sind bekanntlich Aliphate (Alkane, wie z. B. iso-Oktane) mit einem Aromatengehalt von bis zu 25 % Volumenanteil.

Im Rahmen des biologischen Monitorings und im Rahmen des biologischen Effektmonitorings wurden die polyzyklischen und aliphatischen Kohlenwasserstoffverbind- ungen bei den Kindern untersucht. Als Ergebnis konnte seinerzeit nachgewiesen werden, dass eine besondere Belastung der Kinder durch Schadstoffe aus dem Flugver- kehr nicht nachgewiesen werden konnte. Insbesondere wurde eine im Urin oder Blut nachweisbare Belastung der Kinder durch Treibstoffbestandteile des E-3A-Verbandes ausgeschlossen.



6.

Während Sie das Gefährdungspotenzial des militärischen Treibstoffs „JP8“ mit dem des Standard-Treibstoffs „Jet A1“ gleichsetzen, verweisen Sie zugleich auf mögliche Zusammenhänge zwischen der Verwendung dieses militärischen Kraftstoffs und dem chronischen Müdigkeits- syndrom und daraus folgenden wissenschaftlichen Unter- suchungen. Zugleich zitieren Sie die Internationale Krebs- forschungsagentur, es gäbe nicht genügend Informationen darüber, ob Flugzeugkraftstoff Krebs auslöse – eine wider- sprüchliche Aussage.


Zu 6 – Gefährdungspotenzial JP8/Jet A-1 –


Einen Widerspruch kann ich nicht erkennen, wenn aus umweltmedizinischer Sicht auf derzeitige wissenschaft- liche Diskussionen hingewiesen wird.

Vielmehr gebietet es die umweltmedizinische Sorgfaltspflicht gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, auf diese Sachverhalte hinzuweisen.

Die Aussage in meinem Schreiben vom 29.06.2004, dass „die diskutierte chronische Müdigkeitssyndrom bei Erwachsenen, angeblich bedingt durch JP8, sich wissen- schaftlich nach den bisherigen Erkenntnissen nicht ab- leiten lässt“ wird nochmals durch eine Mitteilung des BMVG an das Gesundheitsamt bestätigt.

Die Kernaussagen zu den Ergebnissen der von hier aus seinerzeit initiierten Untersuchung, die das Gesundheitsamt im einzelnen in der ausführlichen Stellungnahme vom

29.06.2004 an Sie und in zahlreichen öffentlichen Sitzungen des Ausschusses für Gesundheit und Soziales sowie in

Bürgerversammlungen dargelegt hat, gelten unverändert fort.


7.

Warum vergleichen Sie die Ergebnisse der Messungen luftgetragener Schadstoffe im Bereich Geilenkirchen, Teveren und Schinveld mit anderen Gegenden wie Viersen, Kleve oder Wesel (S. 2, Punkt a)? Dort sind auch Militärflugplätze, ein Vergleich mit von Militärflugverkehr unbelasteten Regionen wäre dagegen aufschlussreicher.


Zu 7 – Vergleichsmessungen –


Die für die Durchführung der Interreguntersuchung 1994 beauftragten Institutionen (Chemisches und Lebensmittel- untersuchungsamt der Stadt Aachen, Rheinisch-Westfäl- ische Technische Hochschule Aachen, Landesumweltamt des Landes Nordrhein-Westfalen) haben in ihrer Methodik bewusst nach Gebieten mit Flugverkehr, ohne Flugverkehr und reiner Belastung durch Straßenverkehr unter- schieden. Um vergleichende Aussagen über Emissionsbe- lastungen zu erhalten, wurden die Messungen der mobilen Stationen am NATO-Flugplatz Geilenkirchen mit bereits vorhandenen festen Messstationen aus dem automatischen Luftqualitätsmessnetz TEMES des Landes NRW in der Studie verglichen. Der Vergleich der Messwerte von Geilenkirchen mit Reinraumgebieten wie etwa der Eifel, ist wissenschaftlich aus der 1994 hier durchgeführten Studie belegbar, wurde aber in den Zusammenfassungen nie ausgesprochen. Sie können diese jedoch aus den Ihnen überlassenen Anlagen zu meinem Schreiben vom 29.05.2004 entnehmen. Die Emissionswerte im Kreis Heinsberg bewegen sich weiter unterhalb der durch die TEMES-Stationen an anderen Orten regelmäßig untersuchten Parameter.

Der Vergleich der Messwerte wurde daher mit ländlich strukturierten Gebieten durchgeführt. Zum einen sind da- durch Störeinflüsse unbekannter Emittenten (industrielle Großbetriebe, große Flughäfen, etc.) auszuschließen, die zu Interpretationsproblemen führen könnten. Weiterhin müssen bei der Messung und Beurteilung luftgetragener Schadstoffe auch die meteorologischen Randbedingungen beachtet werden. Diese sind bei dem ortsnahen Bereich Viersen eindeutig gleichartig und auch bei den anderen ausgewählten, etwas nördlicher gelegenen Bereichen gut vergleichbar.

Zusammenfassend stelle ich fest, dass eine besondere Gefährdung durch den NATO E-3A-Verband für die Geilenkirchener Bevölkerung sowohl nach den hier durchgeführten Untersuchungen als auch nach nochmaliger Wertung von Informationen über den verwendeten Flug- turbinenkraftstoff nicht zu besorgen sind. Die Forderung nach Austausch auf emissions- und lärmgeminderte Trieb- werke durch den Kreis Heinsberg bleibt unverändert und wird durch die politischen Gremien des Kreises auch weiterhin vertreten. Die zwischenzeitlich erfolgte Mitteilung des Bundesministeriums der Verteidigung an den Kreis Heinsberg mit der dort unterstützen Forderung nach emissionsärmeren Triebwerken und einer Entscheidungs- findung im Jahre 2006 bitte ich zur Kenntnis zu nehmen.